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ATAD III – neuer Test für «Shell Companies»

Ende Dezember 2021 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Entwurf unter dem Namen «Anti-Tax Avoidance Directive III oder kurz ATAD III. ATAD III schlägt ein Substanztest für sogenannte Shell Companies bzw. Briefkastenfirmen vor. Ein Vorschlag mit Auswirkungen, auch für das Fürstentum Liechtenstein. ATAD III soll bis 30. Juni 2023 national in den EU-Jurisdiktionen umgesetzt werden und per 1. Januar 2024 europaweit anwendbar werden.

Hintergrund

ATAD III folgt auf die vorhergehenden Massnahmen der EU im Bereich der Bekämpfung der Steuervermeidung. Die erste Umsetzung unter ATAD I wurden bereits im Januar 2016 eingeführt und sollte eine europaweite Basis für die Bekämpfung der Steuerhinterziehung bilden. ATAD II folgte im Januar 2020 mit dem Ziel der Erweiterung und Vertiefung von ATAD I. Das Ziel der ATAD-Massnahmen: Ein faires und effektives Steuersystem für den europäischen Raum zu schaffen. 

ATAT III: Der Vorschlag der Kommission

Die Kommission schlägt in ATAD III insbesondere vor, dass weitreichende Meldepflichten und Substanzprüfungen für substanzschwache Gesellschaften eingeführt werden sollen. Insbesondere den Finanzverwaltungen wird die Ermächtigung erteilt, potentielle Briefkastengesellschaften (sog. Shell Companies) einer Substanzprüfung zu unterziehen.

Was sind die Mindestanforderungen?

Eine Unternehmung wird unter ATAD III als «at risk» eingestuft, wenn:

  • Mehr als 75% der Einnahmen in den letzten beiden Steuerperioden bzw. die relevanten Einnahmen weitgehend als Dividenden, Lizenzgebühren o.ä. klassifiziert werden und somit als passiven Einkünfte qualifiziert werden.
  • Die Tätigkeit hauptsächlich grenzüberschreitend erfolgt.
  • Die Administration bzw. die täglichen operativen Tätigkeiten und Entscheidungen an Dritte outgesourct werden.

Eine Unternehmung die als «at risk» eingestuft wird muss in einem jährlichen Report den Nachweis in Form einer Beweislastumkehr erbringen, dass die nachfolgenden Indikatoren einer minimalen Substanzanforderung erfüllt sind:

  • Eigene Räumlichkeiten im betroffenen Ansässigkeitsstaat
  • Ein aktives Bankkonto in einem EU-Mitgliedstaat
  • es ein oder mehrere Geschäftsleitungsmitglieder hat, die
    – im Mitgliedstaat des Unternehmens ansässig sind oder nicht weiter von diesem Mitgliedstaat entfernt sind, als mit der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben vereinbar ist,
    – qualifiziert sind, eigenständig Entscheidungen in Bezug auf die Tätigkeiten des Unternehmens zu treffen,
    – nicht bei anderen, nicht verbundenen Unternehmen beschäftigt sind, wo sie Leitungsfunktionen ausüben.

Konsequenzen der Qualifikation als Shell Company

Personen, welche ohne steuerrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz die Bedingungen als Quasiansässige nicht erfüllen,

Kann eine Unternehmung diesen Substanzanforderungen nicht nachkommen bzw. keine ausreichende wirtschaftliche Begründung für das Bestehen einer Gesellschaft erbracht werden («genuine business purpose»), wird ein solches Unternehmen als «Shell Company» qualifiziert, was verschiedene Konsequenzen hat:

  • Entzug oder Verwehrung des «Certificate of Tax Residence» oder der Bestätigung einer Steuernummer oder die Einschränkung von Vertragsfreiheiten. Es kann u.a. aber auch eine Ansässigkeitsbescheinigung mit dem Vermerk, dass ein Unternehmen keine Ansprüche auf Vorteile aus einem Doppelbesteuerungsabkommen hat.
  • ATAD III greift soweit, dass eine Folge sein kann, dass Ansprüche im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen für solche Unternehmen hinfällig werden. Auch Mutter-Tochter- sowie Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinien sind davon betroffen. Die Folge ist eine höhere Quellensteuerbelastung sowie auch das Risiko einer Doppelbesteuerung von Einkünften.
  • Der Ansässigkeitsstaat eines sogenannten Risikounternehmens behandeln die Einkünfte als von den Gesellschaftern selbst erzielt und besteuern diese nach dem entsprechenden nationalen Recht. Sind Anteilseigner nicht in einem EU-Mitgliedstaat ansässig, kann der Mitgliedstaat am Sitz des als Risiko klassifizierten Unternehmen ungeachtet eventueller Abkommen die Quellensteuer entsprechend des nationalen Rechts besteuern.

Handlungsbedarf

Der breit ausgelegte Anwendungsbereich von ATAD III wird, falls es keine Anpassungen im aktuellen Vorschlag der Europäischen Kommission gibt, Auswirkungen für die Steuerlandschaft in Europa nach sich ziehen. Eine detaillierte Analyse und eine zeitnahe Einschätzung ist daher für Unternehmensstrukturen und Konzerne unvermeidbar. Zu berücksichtigen gibt es hierbei auch, dass die Bewertung unter ATAD III sich auf die beiden Vorjahre bezieht. Auch wenn die neue Richtlinie erst per 01. Januar 2024 in Kraft tritt, werden die aktuelle Jahre in die Bewertung ab 2024 einfliessen und Auswirkungen haben.

Trotz der EWR Zugehörigkeit ist das Fürstentum Liechtenstein als Nicht-EU Mitgliedstaat nicht direkt von den Massnahmen von ATAD III betroffen. Im Zuge der Prüfung und Einschätzung von Unternehmungen wird es aber auch Veränderungen für in Liechtenstein domizilierte Unternehmen geben. Als Begleitmassnahme wurde mit ATAD III auch eine Änderung der EU-Amtsrichtline bezgl. des AIA eingebracht.

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • ATAD III fordert neue Prüfungsmassnahmen und weitergehende Reportings für als «Shell Company» eingestufte Unternehmen. Die Massnahme soll per 1. Januar 2024 anwendbar sein.
  • Durch die breite Auslegung und durch die geforderten Substanzanforderungen kann ATAD III massive Auswirkungen für Unternehmensstrukturen nach sich ziehen.
  • Es gilt zeitnah zu prüfen, welche Auswirkungen ATAD III für eine Unternehmensstruktur hat. Insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass für die Bewertung die beiden Vorjahre herangezogen werden.