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Telearbeit – steuerrechtliche Fragestellungen

Die Anzahl Arbeitnehmenden, die von zu Hause arbeiten, ist seit der Covid-19-Pandemie massiv angestiegen. Durch die Pandemie konnte sich das Home-Office in vielen Arbeitsbereichen und Branchen etablieren. Somit kann davon ausgegangen werden, dass das Model Home-Office – oder Telearbeit – auch nach Abflachen der Pandemie von einen noch nie dagewesenen Anteil von Beschäftigten praktiziert werden wird. Nicht nur während, sondern vor Allem nach der Pandemie – wo die Corona-bedingten Spezialgesetze keine Anwendung mehr finden, stellen sich in steuer- und sozialversicherungstechnischer Hinsicht neue Fragen. Der vorliegende Blogbeitrag soll sich dabei auf die steuerrechtlichen Fragestellungen beschränkten.

Sichtweise Schweiz

In der Schweiz hat sich jüngst die Schweizerische Steuerkonferenz (SSK) mit einem Beitrag vom 26. April 2022 mit dem Tatbestand der Telearbeit auseinandergesetzt und eigens dafür eine Analyse erstellt. Telearbeit wird dabei als «das Arbeiten von einem mit technischen Kommunikationsmitteln ausgestatteten Platz ausserhalb der Räumlichkeiten des Arbeitgebers (in der Regel in einem privaten Lebensbereich)» definiert. Die Analyse der SSK beleuchtete dabei die bundesgerichtliche Rechtsprechung (interkantonale und interkommunale Ebene, unter Ausschluss des internationalen Aspekts), wobei der Fokus auf die Problemstellungen im Zusammenhang mit Unternehmen (juristische Personen und selbständige Erwerbstätigkeit) gerichtet war. Ziel dabei war die Frage zu beantworten, ob am Ort der Telearbeit ein Steuerdomizil (Haupt-, Sekundär- oder Spezialsteuerdomizil) besteht. Die Begründung des Steuerdomizils bedingt in der genannten Konstellation die Errichtung einer Betriebsstätte. Die Betriebsstätte wird als feste Einrichtung gesehen, deren Verfügungsrecht der Arbeitgeber inne hat und welche dauerhaft besteht (Urteil des Bundesgerichts 2C_110/2018 vom 28. Februar 2019). Die Aspekte müssen kumulativ erfüllt werden, um in der Begründung einer Betriebsstätte zu münden. Der Aspekt der festen Einrichtung (Laptop, Arbeitsplatz, etc.) erfordert keine besonderen Voraussetzungen und ist in der Regel rasch erfüllt. Zudem ist auch das Kriterium der Dauerhaftigkeit meist erfüllt. Das Unternehmen hat jedoch normalerweise kein Recht, über die feste Geschäftseinrichtung am Wohnort des Arbeitnehmenden (meist die Privatwohnung) zu verfügen, was als kein ausreichendes Nutzungsrecht beurteilt wird. Somit mangelt es am Kriterium des Verfügungsrechts, damit die Wohnung des Arbeitnehmenden als Betriebsstätte eingestuft werden könnte. Auch die Zahlung einer Abfindung an den Arbeitnehmenden für die Benützung der Wohnung bietet keine echte Befugnis, frei über das Mietobjekt zu verfügen. Die Begründungskriterien einer Betriebsstätte bleiben auch dann gleich, wenn der Telearbeitende ein leitender Angestellter des Unternehmens oder sogar der Geschäftsführer ist. Grundsätzlich ist die physische Anwesenheit in den Räumlichkeiten der festen Geschäftseinrichtung nicht das entscheidende Kriterium für die Zuordnung der Angestellten zur Betriebsstätte, sondern vielmehr die rechtliche und wirtschaftliche. So erfüllt der selbstständig Erwerbende die Erfordernis der wirtschaftlichen Verfügungsgewalt über die Büroräumlichkeit rasch, während dies im Angestelltenverhältnis in der Regel nicht der Fall ist.

Exkurs Internationale Sichtweise

Gemäss dem aktualisierten Leitfaden der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) betreffend die Covid-19-Pandemie soll die Home-Office-Tätigkeit – zumindest während der Pandemie – nicht zur Einstufung als Betriebsstätte führen (aktualisierter OECD-Leitfaden vom 21.01.2021 zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf DBA, Tz. 14 ff.). Abgesehen von der Covid-19-Pandemie wird im Kommentar zum OECD-Musterabkommen darauf hingewiesen, dass es bei nur gelegentlicher Tätigkeit im Home-Office ebenfalls am Kriterium des Verfügungsrechts des Arbeitgebers mangle, wie dies auch die SSK sieht. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit nahezu durchgängig im Home-Office ausübt und ihm vom Arbeitgeber kein anderer Büroarbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird, sieht der Kommentar das Home-Office jedoch als Betriebsstätte an. Kann dagegen der Mitarbeiter im Unternehmen einen Arbeitsplatz nutzen, sei keine Verfügungsgewalt des Arbeitgebers anzunehmen. Viele Länder folgen im Normalfall den Vorschlägen der OECD. Trotzdem sind diese für die Mitgliedsstaaten nicht bindend und daher sollten im jeweiligen Einzelfall die geltenden Doppelbesteuerungsabkommen der betreffenden Ländern resp. deren Praxisumsetzung genauer betrachtet werden.

Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass am Ort der Telearbeit meist kein Steuerdomizil begründet wird. Der Hauptgrund dafür ist im Schweizer Kontext das fehlende Verfügungsrecht des Arbeitgebers über die Geschäftseinrichtung, welche sich normalerweise in der Privatwohnung des Arbeitnehmenden befindet. Somit stellt die physische Anwesenheit nicht das entscheidende Kriterium für die Zuordnung der Angestellten zur Betriebsstätte dar, sondern die rechtliche und wirtschaftliche.

Im internationalen Kontext wird die Begründung der Steuerpflicht am Ort der Telearbeit jedoch etwas weniger streng ausgelegt resp. es wird schneller eine Betriebsstätte begründet. Wie oben dargelegt, kann bei durchgängiger Home-Office-Tätigkeit eine Steuerpflicht begründet werden, wenn vom Arbeitgeber kein anderer Büroarbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird.

Dieser Blogbeitrag soll die Stossrichtung aufzeigen, in welche sich die Beurteilung der Steuerbehörden bewegt. Da die gängige Praxis national wie international ständigem Wandel ausgesetzt ist, sollte aufgrund der Komplexität des Sachverhalts jeder Fall individuell beurteilt werden. Gerne stehen wir Ihnen mit unserem Fachwissen zur Verfügung.